Im Deutschunterricht haben wir uns mit dem Drama Maria Stuart von Friedrich Schiller beschäftigt, das zur Epoche der Weimarer Klassik gehört. Diese literarische Epoche, etwa von 1786 bis 1805, war geprägt durch Ideale wie Humanität, Freiheit, Mass und Harmonie. Dichter wie Goethe und Schiller strebten nach einer Verbindung von Verstand und Gefühl sowie nach einer ästhetischen Erziehung des Menschen.
Maria Stuart thematisiert das dramatische Zusammentreffen zweier Königinnen: Maria Stuart, die katholische Königin von Schottland, und Elisabeth I., die protestantische Königin von England. Im Mittelpunkt stehen moralische, politische und persönliche Konflikte, vor allem die Entscheidung über Leben und Tod Marias.
Schiller zeigt in dem Werk die innere Zerrissenheit seiner Figuren, besonders Elisabeths, die zwischen Staatsräson und menschlichem Mitgefühl schwankt. Damit wird ein zentrales Thema der Klassik deutlich: das Spannungsverhältnis zwischen Pflicht und persönlicher Freiheit. Im Unterricht haben wir Szenen analysiert, Figuren verglichen und uns gefragt, inwiefern dieses Drama auch heute noch Bedeutung haben kann. Besonders die Macht der Sprache, die Darstellung innerer Konflikte und der tragische Aufbau wurden vertieft behandelt.
Ich habe mich entschieden, mich in meinem Blogartikel auf Elisabeths Entscheidung zu konzentrieren – als Symbol für die Spannung zwischen politischer Verantwortung und persönlichem Empfinden. Diese Entscheidung steht sinnbildlich für ein zentrales Problem vieler Menschen damals wie heute: Wie handelt man richtig, wenn Herz und Kopf in verschiedene Richtungen ziehen?
Was mich an Elisabeths Figur fasziniert, ist nicht nur ihre Macht, sondern auch ihre Unsicherheit. Obwohl sie die mächtigere Königin ist, wirkt sie oft unsicherer als Maria, die zwar gefangen ist, aber mit ihrer Überzeugung und Haltung fast königlicher wirkt. Elisabeth ist nicht frei – sie ist gefangen in ihrer Verantwortung.
Ich habe mich oft gefragt: Inwiefern erleben wir solche Konflikte heute noch? Sicher, wir entscheiden nicht über Leben und Tod, aber wir alle kennen Situationen, in denen Pflicht und Wunsch nicht zusammenpassen. Ich zum Beispiel habe in meinem Alltag oft den Wunsch, kreativ oder spontan zu sein, doch meine Verpflichtungen – Schule, Arbeit, Familie – fordern Organisation, Struktur, Disziplin.
Besonders spannend finde ich, wie Schiller innere Konflikte sichtbar macht, ohne dass viel „passiert“. Vieles läuft über Sprache und Gesten – auch das erinnert mich an das heutige Leben. Wie oft sagen wir nicht, was wir wirklich denken, weil es nicht „angebracht“ ist? Wie oft verstecken wir unsere Unsicherheit hinter einem Lächeln oder einer Entscheidung, die von außen „richtig“ wirkt?
Elisabeth will keine Schuld auf sich laden, also schiebt sie die Entscheidung anderen zu – aber gerade dadurch wird sie zur eigentlichen Täterin. Dieser Mechanismus ist nicht vergangen – wir erleben ihn in der Politik, in Organisationen, sogar im Privaten. Verantwortung wird abgegeben, um die eigene weiße Weste zu bewahren.
Was ich aus dem Drama mitnehme, ist: Macht bedeutet nicht Freiheit. Freiheit bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, auch wenn es weh tut. Maria stirbt, aber mit erhobenem Haupt. Elisabeth bleibt – aber innerlich zerrissen.
Ich denke, dass Schillers Botschaft in einer Welt voller Entscheidungen und Verantwortungen aktueller ist denn je. Es geht nicht darum, perfekt zu handeln, sondern darum, bewusst zu entscheiden – und zu den Konsequenzen zu stehen. Vielleicht beginnt echte Größe genau da, wo man nicht mehr flieht.